Das Erlernen der Bildungssprache Deutsch ist der Schlüssel zu schulischem Erfolg und gesellschaftlicher Teilhabe. Deshalb nimmt die Stärkung bildungssprachlicher Kompetenzen eine zentrale Rolle im Koalitionsvertrag der Landesregierung ein. Um Schülerinnen und Schülern mit und ohne Migrationsgeschichte noch besser beim Deutschlernen zu unterstützen, hat Hessen nun ein umfangreiches Maßnahmenpaket entwickelt, das Kultusminister Prof. Dr. R. Alexander Lorz heute gemeinsam mit dem Vorsitzenden der Stiftung Polytechnische Gesellschaft Frankfurt, Prof. Dr. Roland Kaehlbrandt, sowie dem Hauptgeschäftsführer der Stiftung Lesen, Dr. Jörg F. Maas, vorgestellt hat. „Jedes Kind soll vom ersten Tag an im Unterricht mitreden und Kontakte zu seinen Mitschülerinnen und Mitschülern knüpfen können“, erklärte Minister Lorz. „Dafür ist das Erlernen der deutschen Sprache von entscheidender Bedeutung. Unser neues Maßnahmenpaket zur Stärkung der Deutschkompetenzen trägt nicht nur zum Bildungserfolg unserer Kinder und Jugendlichen bei, sondern ist auch ein wichtiger Baustein für mehr Chancengleichheit in unserer Gesellschaft – und damit in Zeiten der Corona-Pandemie und deren Auswirkungen auf den Schulbetrieb aktueller und notwendiger denn je!“
Das Maßnahmenpaket setzt sich aus drei zentralen Feldern zusammen: Grundlegende Fertigkeiten stärken, Lesekompetenz fördern und Handlungskompetenz mit Texten und Sprache ausbauen. Es umfasst dabei alle Bildungsstationen, angefangen bei den Vorlaufkursen am Übergang zwischen Kita und Grundschule über die Maßnahmen in den Primar- und Sekundarstufen bis hin zur Förderung bildungssprachlicher Maßnahmen während der dualen Ausbildung.
Die wichtigsten Bausteine sind im Einzelnen:
- Verpflichtende Vorlaufkurse vom kommenden Schuljahr an für alle Kinder im Vorschulalter mit Schwierigkeiten in Deutsch (im Schulgesetz verankert)
- Eine zusätzliche Deutschstunde in der 4. Jahrgangsstufe zur Übung und Vertiefung als Vorbereitung für den Wechsel auf die weiterführende Schule
- Verbindliche Festlegung einer verbundenen Handschrift zum Schuljahr 2022/23 (im kommenden Schuljahr zunächst als Empfehlung)
- Verbindlicher Grundwortschatz, den jedes Kind bis zum Verlassen der Grundschule kennen muss, inkl. erläuternder Handreichung (verbindlich im Schuljahr 2022/23)
- „Pädagogisch motivierte Fehlerkorrektur“ im neuen Schuljahr ab dem 2. Halbjahr der 1. Jahrgangsstufe. Methoden zum Rechtschreiblernen wie „Lesen durch Schreiben“ („Schreiben nach Gehör“) sind damit ausdrücklich nicht zulässig.
- Verbindlicher Fehlerindex in den Jahrgangsstufen 9 und 10 ab dem Schuljahr 2022/23, der die Notengebung beeinflusst
- Verstärkte Leseförderung und Lesemotivation in Form einer Mindestanzahl zu lesender Lektüren und Lektüreempfehlungen für Lehrkräfte
- Teilnahme am Bund-Länder-Programm BiSS-Transfer zur Stärkung von Sprachbildung, Lese- und Schreibförderung in der Schule
- Grundlegende Verankerung in allen Phasen der Lehrerbildung
„Dieses Paket ist der mit Abstand größte Aufschlag in Sachen Sprachförderung, den wir in den vergangenen Jahren gemacht haben. Herausheben möchte ich die neuen Vorgaben für die zu lernende Handschrift der Grundschülerinnen und Grundschüler und die Fehlerkorrektur, mit der alle Kinder von Anfang an eine Rückmeldung der Lehrkräfte zur korrekten Rechtschreibung erhalten“, erläuterte der Minister. Dafür nehme das Land viel Geld in die Hand, so der Minister. Allein für die zusätzliche Deutschstunde und die verpflichtenden Vorlaufkurse sind insgesamt 310 neue Stellen vorgesehen. „Ich bin der festen Überzeugung, dass diese Mittel gut investiert sind und sich langfristig auszahlen werden. Denn sie setzen genau dort an, wo sie am wirksamsten sind: bei grundlegenden Kompetenzen wie Lesen, Schreiben und Sprechen.“
Darüber hinaus bieten die zahlreichen Einzelmaßnahmen die Möglichkeit zur gezielten Differenzierung und können ideal zur Vertiefung, Kompensation und zum systematischen Ausbau bildungssprachlicher Kompetenzen eingesetzt werden. „Das kommende Schuljahr wird ganz im Zeichen des Aufholens verpassten Lernstoffs stehen. Mit unserer gezielten Deutschförderung nehmen wir all jene Kinder in den Blick, die besonders auf den unmittelbaren Austausch mit ihren Lehrkräften im Klassenzimmer angewiesen sind und für die die Zeit der Schulschließungen die größte Herausforderung war“, ergänzte Minister Lorz im Hinblick auf eine Verknüpfung mit dem Corona-Förderprogramm „Löwenstark – der BildungsKICK“.
Maßnahmenpaket setzt gute Zusammenarbeit mit externen Partnern fort
Gemeinsam mit der Stiftung Lesen wird zudem ein „Nationaler Lesepakt“ geschaffen, der bei Schülerinnen und Schülern die Freude am Lesen von Lektüren wecken soll. Dazu erklärte der Hauptgeschäftsführer der Stiftung Dr. Jörg F. Maas: „Sprache eröffnet viele Möglichkeiten. Kindern, die gut Deutsch sprechen und verstehen, fällt es leichter, sich zu verständigen, Lerninhalten zu folgen, um Unterstützung zu bitten und Freundschaften zu schließen. Lesen und Vorlesen spielen dabei eine entscheidende Rolle und sind ein wichtiger Zugang für Familien mit anderen Herkunftssprachen: Über Geschichten kommen Kinder mit neuen Wörtern in Berührung, verstehen, wie sie verwendet werden, und erschließen sich spielerisch eine fremde Sprache. Wir unterstützen das Engagement des Landes und sind gern Partner, wenn es darum geht, jungen Menschen Bildungs- und Lebenschancen zu ermöglichen.“
Das Maßnahmenpaket sieht außerdem die Einrichtung eines „Kompetenzzentrums Bildungssprache“ vor, das an die bereits im vergangenen Jahr eingerichtete Kompetenzstelle Orthographie anknüpft, die in Kooperation unter anderem mit der Stiftung Polytechnische Gesellschaft Frankfurt entstanden ist. Deren Vorsitzender Prof. Dr. Roland Kaehlbrandt stellte die seit Jahren bestehende gute Zusammenarbeit mit dem Land heraus und betonte: „Worauf es uns in der Stiftung Polytechnische Gesellschaft ankommt, ist die Förderung der Bildungssprache Deutsch, und zwar auf drei Ebenen: Grammatik, Lesen und Schreiben, und dies von der Grundschule bis zur Oberstufe.“
Hintergrund:
Die Kultusministerkonferenz hat Ende 2019 auf Initiative des damaligen Präsidentschaftslandes Hessen eine Empfehlung mit dem Titel „Bildungssprachliche Kompetenzen in der deutschen Sprache stärken“ mit konkreten Praxisempfehlungen für bundesweit alle Schulen ausgesprochen. Die Länder erhalten damit einen Orientierungsrahmen zur Stärkung bildungssprachlicher Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler. Die Empfehlung bildet die Grundlage für das nun entstandene Maßnahmenpaket.