Kinder mit Schulbüchern und Globus laufen über die Wiese.

Unterricht für Kinder beruflich Reisender und berufliche Kompetenz für Schausteller und Circus

Schätzungsweise 2.700Kinder sind mit ihren Eltern in Deutschland mit unterschiedlichen Unternehmen wie beispielsweise Schaustellerbetrieben, Zirkusunternehmen oder Puppentheatern unterwegs. In allen Bundesländern unterliegen Kinder beruflich Reisender der Schulpflicht. Während der reisefreien Zeit besuchen diese Schülerinnen und Schüler ihre Stammschule, an der sie gemeldet sind. In der Regel ist dies eine Schule am Hauptwohnsitz oder am Winterstandort beruflich Reisender. Während der Reise erfolgt der Unterricht in Stützpunktschulen, meist in der Nähe des Gastspielortes. Jede allgemeine Schule, die von den Eltern der mitreisenden Kinder ausgewählt wird, ist verpflichtet, Kinder aus reisenden Unternehmen zu unterrichten und kann somit als Stützpunktschule während der Reise dienen. Zusätzlich werden die Schülerinnen und Schüler durchgängig von ihren jeweils zuständigen Bereichslehrkräften betreut.

Im Bundesland Hessen ist ein großer Teil der Schülerinnen und Schüler an der Schule für Kinder beruflich Reisender (SfKbR) in Wiesbaden gemeldet, die als Stammschule fungiert, unabhängig vom hessischen Hauptwohnsitz der Familie (siehe unten). 

Schulpflichtige Kinder beruflich Reisender werden deutschlandweit im Rahmen eines über die Ländergrenzen hinweg etablierten Systems aus Stammschulen und Stützpunktschulen, unterstützt durch flächendeckend zur Verfügung stehende Bereichslehrkräfte, unterrichtet. Sie führen entweder ein Schultagebuch mit sich oder werden im Rahmen von DigLu (digitale Lern- und Organisationsplattform „Digitales Lernen unterwegs“) betreut. Ziel ist insbesondere eine kontinuierliche schulische Förderung der mit ihren Familien reisenden Kinder, die ihrer Lebenssituation bestmöglich Rechnung trägt und die einen Schulabschluss ermöglicht. Dabei ist nicht jedes Kind und nicht jeder bzw. jede Jugendliche, dessen bzw. deren Eltern aus beruflichen Gründen reisen, ein Kind beruflich Reisender, wobei im Einzelfall die Grenzen fließend sein können. Mit wachsender beruflicher Mobilität auch anderer Berufsgruppen wird zunehmend eine Beschreibung der Zielgruppe für die genannten schulischen Maßnahmen erforderlich.

Kinder beruflich Reisender sind Kinder und Jugendliche insbesondere aus Schaustellerfamilien, von Zirkusangehörigen und von Puppenspielern, aber z. B. auch Kinder von ambulanten Händlern, von Binnenschiffern und mobilen Scherenschleifern. Kennzeichnend für diese Kinder und Jugendlichen ist, dass deren Eltern häufig ein Reisegewerbe im Sinne des § 55 GewO ausüben oder als ständiges Personal mitreisen. Das kann für die Kinder beruflich Reisender bedeuten,

  • dass sie mit ihrer Familie als Lebens- und Erwerbsgemeinschaft in der Bundesrepublik und teilweise im europäischen Ausland reisen,
  • dass sie oft nur wenige Tage bis hin zu einigen Wochen an einem Ort verweilen,
  • dass sie in der Regel keinen oder nur in der Winterpause (Zeit in der üblicherweise keine Märkte, Jahrmärkte und Volksfeste stattfinden) einen festen bzw. regelmäßigen Aufenthaltsort haben und
  • dass sie deshalb jedes Jahr eine Vielzahl an unterschiedlichen Schulen und Klassen besuchen.

Wesensmerkmal für die berufliche Tätigkeit der Eltern ist, dass diese nur an wechselnden Orten stattfinden kann und damit zwingend mit der Reise verbunden ist, was sie von Reisen aus beruflichem Anlass (z. B. Journalisten, Geschäftsreisende) unterscheidet.

Inwieweit unabhängig davon Kinder von Personen ohne festen Wohnsitz, die nicht unter die Gruppe der Kinder beruflich Reisender fallen, im Rahmen von Stamm- und Stützpunktschulen mit Unterstützung der Bereichslehrkräfte gefördert werden können und sollen, muss im Einzelfall entschieden werden. Kinder, die z. B. aufgrund von Geschäftsreisen der Eltern bzw. eines alleinerziehenden Elternteils und/oder aufgrund ihrer individuellen familiären Situation (z. B. wechselnder Aufenthalt bei entfernt voneinander lebenden Erziehungsberechtigten) phasenweise nicht an ihrer Schule anwesend sein können, fallen grundsätzlich nicht unter die Regelungen für Kinder beruflich Reisender. Für sie müssen auf der schulrechtlichen Basis der jeweiligen Länder individuelle Entscheidungen getroffen und individuelle Vorgehensweisen gefunden werden.

Digitales Lernen unterwegs (DigLu) für Kinder von beruflich reisenden Eltern 

Um Überschaubarkeit, Transparenz und Kontinuität der Lernprozesse reisender Kinder zu ermöglichen, wurde bisher ein analoges Schultagebuch genutzt, in welchem von den Stamm- und Stützpunktschulen, der Lernstand, die behandelten Unterrichtsinhalte sowie die Schulbesuchstage dokumentiert werden und als zentrales Kommunikations- und Dokumentationsinstrument dient, das reisenden Kinder zur Verfügung steht. Seine Verwendung ist verpflichtend.

Zwischenzeitlich wurde das Schultagebuch im Rahmen eines 3-jährigen Pilotprojekts erfolgreich als onlinebasiertes länderübergreifendes Lernmanagementsystem zur Begleitung und Betreuung von Kindern beruflich Reisender weiterentwickelt und erprobt und liegt nun als digitales Schultagebuch „DigLu“ (Digitales Lernen unterwegs) vor.

Nach erfolgreicher Pilotierung wurde mit Beschluss der Amtschefkonferenz Bildung der Betrieb von DigLu zum 01.01.2025 in den Regelbetrieb überführt und ist ab dem Schuljahr 2025 / 2026 verbindlich von allen Ländern zu nutzen. 

DigLu - die Lernplattform für Kinder beruflich reisender Eltern - DigluÖffnet sich in einem neuen Fenster

Pilotprojekt „Schule für Kinder beruflich Reisender“

Im Jahr 2010 wurde in Hessen das Pilotprojekt „Schule für Kinder beruflich Reisender“ an der Schule am Geisberg in Wiesbaden ins Leben gerufen. Diese Schule befindet sich in Trägerschaft der EVIM Bildung gemeinnützige GmbH (Evangelischer Verein für Innere Mission).

Die hessischen Schülerinnen und Schüler, die an dieser Schule angemeldet sind, werden von den dort eingesetzten Lehrkräften, die auch gleichzeitig Bereichslehrkräfte sind, in neun mobilen Klassenzimmern hessenweit und länderübergreifend (auch online) unterrichtet und besuchen nicht mehr jede Woche in eine andere Schule. Das mobile Klassenzimmer ist Stammschule der Schülerinnen und Schüler. Das Schultagebuch ist auch hier die Grundlage der Unterrichtsarbeit. Außerhalb von Hessen oder in der Winterpause besuchen die Schülerinnen und Schüler den Unterricht an Stützpunktschulen.

Berufliche Kompetenz für Schausteller und Circus (BeKoSch)

BeKoSch ist ein alternatives Berufsschulangebot, welches auf die Lebensumstände von Kindern beruflich Reisender Eltern angepasst ist und in Formen von Präsenz- und Fernlernen anbietet. Die schulischen Möglichkeiten in der Berufsbildung bei BeKoSch eröffnen den, mit den Eltern mitreisenden Schülerinnen und Schülern, neben dem Hauptschulabschluss für Nichtschüler, die Berufsschulpflichtanerkennung aller Bundesländer, eine fundierte Ausbildung zur/zum Verkäuferin/ Verkäufer (IHK) sowie zur/zum Kauffrau/Kaufmann im Einzelhandel (IHK). 

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