Die Fähigkeit, Texte zu lesen und zu verstehen, beeinflusst alle Bereiche des Lebens. Sie ist auch in der Schule wichtig und notwendig für das Lernen in allen Unterrichtsfächern. Je früher und umfassender Leselernprozesse dem individuellen Lernstand eines Kindes entsprechend gefördert werden, desto nachhaltiger wirken sich diese Maßnahmen auf die gesamte Lernentwicklung aus. Über die Vermittlung der Lesefertigkeit und die gezielte, individuelle Förderung der Lesekompetenz der Schülerinnen und Schüler hinaus unterstützt die Schule durch unterrichtliche und außerunterrichtliche Aktionen die Freude am Lesen und bahnt eine stabile Lesemotivation an. Schule und Elternhaus arbeiten auf diesem Gebiet seit langem Hand in Hand. Ein großes Angebot guter und motivierender Lektüre, Zeit zum Lesen und ein fachlich qualifizierter Unterricht rufen ein positives Leseverhalten und Freude bei den Kindern hervor.
Internationale Schulleistungsstudien wie PISA, IGLU und der nationale IQB-Bildungstrend belegen einen engen Zusammenhang zwischen bildungssprachlichen Kompetenzen und schulischem Erfolg. Die bildungssprachlichen Kompetenzen – Lesen, Schreiben (auch Rechtschreiben), Zuhören und Sprechen – dienen der Persönlichkeitsentwicklung und bilden die Grundlage für erfolgreiches Lernen in Schule, in beruflicher Aus- und Weiterbildung oder im Studium. Der Deutschunterricht übernimmt bei der Entwicklung bildungssprachlicher Kompetenzen eine zentrale Rolle. Aus den jeweiligen Aufgaben und Zielen fachlichen Lernens ergibt sich jedoch auch eine Mitverantwortung aller Fächer, Lernbereiche und Lernfelder.
Sprachliche Bildung und Sprachförderung sind in den Bildungsstandards der Kultusministerkonferenz sowie in den entsprechenden Referenzrahmen zur Schulqualität und den Bildungs- und Lehrplänen der Länder verankert. Darüber hinaus hat die Kultusministerkonferenz Anfang Dezember 2019 auf Basis einer von Hessen initiierten und geleiteten Arbeitsgruppe erstmals eine gemeinsame Empfehlung mit dem Titel „Bildungssprachliche Kompetenzen in der deutschen Sprache stärken“ mit konkreten Praxisempfehlungen für bundesweit alle Schulen ausgesprochen. Dazu wurde sich länderübergreifend auf 10 Grundsätze verständigt, die die Gelingensbedingungen für eine erfolgreiche Stärkung bildungssprachlicher Kompetenzen in der deutschen Sprache definieren:
Die 10 Grundsätze:
1. Sprachliche Bildung und Sprachförderung erfolgen durchgängig und systematisch über alle Bildungsetappen hinweg, vom Übergang aus dem Elementar- in den Primarbereich bis in die Sekundarbereiche der allgemeinbildenden und beruflichen Schulen.
2. Sprachliche Bildung ist Querschnittsaufgabe aller an schulischer Bildung Beteiligten und durchgängiges Unterrichtsprinzip in allen Fächern, Lernbereichen und Lernfeldern; entsprechende Angebote des Ganztags bieten hier zusätzliche Potentiale.
3. Konzepte zur sprachlichen Bildung und Sprachförderung sind Teil von Unterrichts- und Schulentwicklung.
4. Sprachliche Bildung und Sprachförderung tragen zu einer ganzheitlichen Persönlichkeitsentwicklung und Welt- sowie Werteorientierung bei.
5. Sprachliche Bildung und die gezielte Ausbildung bildungssprachlicher Kompetenzen tragen zur individuellen Begabungsentfaltung bei.
6. Für die sprachliche Bildung und Sprachförderung wird Mehrsprachigkeit als Ressource verstanden; entsprechende Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler werden erkannt und angemessen genutzt.
7. Sprachförderung basiert sowohl auf standardisierten als auch auf informellen Diagnoseverfahren.
8. Sprachliche Bildung und Sprachförderung orientieren sich an wissenschaftlichen Erkenntnissen und werden nach Möglichkeit durch evidenzbasierte Maßnahmen und Verfahren unterstützt.
9. Die Digitalisierung ist zugleich Herausforderung und Chance für die sprachliche Bildung und Sprachförderung.
10. Die Vermittlung von Konzepten der sprachlichen Bildung und Sprachförderung sollte möglichst Bestandteil aller Phasen der Lehrerbildung sein und ist im Rahmen der Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern zu berücksichtigen.