Hilfestellung für psychisch belastete Kinder und Jugendliche

Schulpsychologische Hinweise zur Unterstützung von Schülerinnen und Schülern im Umgang mit den psychischen Folgen des Erdbebens in der Türkei und in Syrien.

Das Erdbeben in der Türkei und in Syrien und die verheerenden Folgen für die Bevölkerung machen uns alle betroffen. Solche Naturkatastrophen können sowohl bei unmittelbar Betroffenen als auch bei Angehörigen starke psychische Belastungen hervorrufen. Durch die mediale Berichterstattung können auch bei Kindern und Jugendlichen ohne direkten Bezug zum Erdbeben Fragen auftauchen und Sorgen entstehen.

Vor allem Kinder und Jugendliche brauchen in solchen Situationen Erwachsene, die ihnen Orientierung und Sicherheit vermitteln und ihnen dabei helfen, ihre Trauer und oder das Empfinden von Ohnmacht, Bedrohung oder Angst zu überwinden. Schule kann mit ihren gewohnten Strukturen im Alltag Halt geben und ist ein wichtiger Lebensort, an dem Schülerinnen und Schüler ihre Sorgen mitteilen und das Bedürfnis äußern können, die Ereignisse und das Erlebte zu verstehen. Manche Kinder und Jugendliche benötigen mehr Unterstützung als andere. Im Schreiben Schulpsychologische Hinweise zum Umgang mit Verunsicherungen und Ängstenfinden Sie Hinweise zum Umgang mit stark belasteten Kindern und Jugendlichen sowie zu passenden Rahmenbedingungen für Gespräche über belastende Ereignisse.

1. Trauernde Kinder und Jugendliche

Wenn Kinder und Jugendliche ihnen nahestehende Personen verlieren und Trauer erleben, müssen sie sich mit Tod und Sterblichkeit auseinandersetzen. Es ist wichtig, dass Erwachsene sie dabei sensibel und an ihren Bedürfnissen orientiert begleiten.

Trauerreaktionen

Verlauf, Form und Intensität des Trauerns können sich individuell und kulturell unterscheiden. Ob Kinder und Jugendliche trauern, kann in der Schule nicht immer wahrgenommen werden. Das Verhalten der Schülerinnen und Schüler nach Verlusten kann sich stark unterscheiden. Ein schneller Wechsel zwischen Trauerreaktionen und beispielsweise Spaßaktivitäten und Lebensfreude ist möglich. Dies gehört zu einer gesunden und stabilisierenden Bewältigungsform. Folgende Trauerreaktionen sind wahrscheinlich:

Auf der Gefühlsebene können schwere Katastrophen wie ein Erdbeben Traurigkeit, Verzweiflung, Angst, Erschöpfung, Schock und Einsamkeit bewirken. Auch Wut, Schuld und Scham können den Trauerprozess begleiten. Manchmal besteht eine emotionale Taubheit, in der die Betroffenen nichts empfinden.

Auf der Verhaltensebene können Kinder und Jugendliche Schlafprobleme und Appetitstörungen haben, die nur indirekt in der Schule beobachtet werden können. Manche Schülerinnen und Schüler können sich nur schwer konzentrieren, ihre Merk- und Leistungsfähigkeit ist beeinträchtigt. Auch das Gegenteil kann vorkommen – dass sie sich durch intensives Lernen ablenken und durch Erfolgserlebnisse stabilisieren. Ebenfalls können Unruhe, Wut- oder Tränenausbrüche vorkommen. Jugendliche können auch Entlastung in selbstverletzendem Verhalten oder einem erhöhten Suchtkonsum suchen.

Auf der körperlichen Ebene sind psychosomatische Beschwerden möglich, wie z. B. Kopf- und Bauchschmerzen, Übelkeit, Schwindel oder andere diffuse Körperschmerzen.

2. Umgang mit Trauer- und Belastungsreaktionen im schulischen Kontext

Schule kann trauernden oder psychisch belasteten Kindern und Jugendlichen Normalität und Sicherheit vermitteln. Lehrkräfte können wichtige stabilisierende Bezugspersonen darstellen und die Schulgemeinde die betroffenen Kinder und Jugendlichen bei der Bewältigung dieses außergewöhnlichen Ereignisses unterstützen. Durch Präsenz, vertraute Rituale und eine verlässliche Beziehung steigt die Wahrscheinlichkeit, im Klassenraum Sicherheit, Selbstwirksamkeit und ein Gefühl von Kontrolle erleben zu können. In der Handreichung Healing ClassroomsÖffnet sich in einem neuen Fenster finden Sie Materialien dazu, wie Sie das Sicherheitserleben Ihrer Schülerinnen und Schüler im Unterricht fördern können.

Um den Trauerreaktionen der Kinder und Jugendlichen im Hinblick auf das Erdbeben in der Türkei und in Syrien und dessen Folgen Raum zu bieten, können Sie das Thema in den Unterricht einbetten. Sprechen Sie dem Alter angemessen darüber, was Erdbeben sind, wie diese entstehen und welche Folgen sie für uns Menschen haben. Beispiele für hilfreiche Unterrichtsmaterialien finden Sie hierÖffnet sich in einem neuen Fenster oder hierÖffnet sich in einem neuen Fenster.

So können Schülerinnen und Schüler ihre Sorgen und Ängste ansprechen. Wenn Sie diese wichtigen Rückmeldungen unter Berücksichtigung der nachfolgenden Empfehlungen aufgreifen, können Sie Ihre Schülerinnen und Schüler wirkungsvoll unterstützen.

Grundsätzliche Empfehlungen zur Unterstützung von Trauerprozessen:

  • Jede Reaktion soll möglich sein – vorausgesetzt, dass keine unmittelbare Gefahr für die eigene Unversehrtheit und die anderer Personen besteht.
  • Die Betroffenen wissen am besten, was sie benötigen. Erfragen Sie dies und beziehen Sie die Schülerinnen und Schüler bei Entscheidungen ein.
  • Für die Trauerbewältigung wird ein ausgewogener Wechsel zwischen Trauerarbeit und Ausgleich durch Ablenkung und Erholungsphasen empfohlen.
  • Kinder und Jugendliche haben altersabhängig ein unterschiedliches Verständnis vom Tod. Jüngere Schülerinnen und Schüler verarbeiten die Ereignisse gut im Spiel und mit Bewegung oder können ihre Gefühle in Bildern oder kreativen Tätigkeiten ausdrücken. Bei Jugendlichen ist Rücksicht darauf zu nehmen, dass sie sich in einer besonders sensiblen Entwicklungsphase (Identitätsfindung und Pubertät) befinden. Sie profitieren vom Austausch mit ihren Gleichaltrigen oder auch mit Vertrauenspersonen. Auch das Schreiben von Briefen, Tagebüchern oder Liedtexten kann entlastend wirken. Zudem können freiwillige Treffen mit der Schulsozialarbeit oder der Schulseelsorge angeboten werden. Hierdurch werden gemeinsame Reflexions- und Beschäftigungsräume mit persönlichen Begegnungen ermöglicht.
  • Zeigen Sie sich unterstützend, wenn sich Kinder dahingehend öffnen, über den Tod und seine Umstände zu sprechen. Wenn betroffene Kinder oder Jugendliche in der Schule weinen und nicht sprechen wollen, ist es wichtig zu signalisieren, dass man für sie da ist. Eine Übervorsicht des Umfelds erhöht das Risiko einer Isolation der Betroffenen.
  • Im Hinblick auf interkulturelle Unterschiede im Umgang mit Tod und Trauer sollten Sie respektvoll und sensibel nach den persönlichen Bedürfnissen und Gewohnheiten fragen, um individuelle Lösungen zu ermöglichen. In allen Gesellschaften werden kollektive Verarbeitungsprozesse bevorzugt und Anteilnahme wertgeschätzt. Lediglich der Kontext und die Art der Trauerrituale unterscheiden sich.
  • Überprüfen Sie, inwieweit Sie selbst von dem Erdbeben und dessen Folgen betroffen sind und dem Kind stabile Unterstützung geben können. Holen Sie sich ggf. Hilfe im Kollegium. Tränen sind nichts Schlimmes, lediglich eine völlige Überwältigung durch das eigene Leid könnte Ihre Schülerinnen und Schüler zusätzlich verunsichern und belasten.
  • Drücken Sie Ihr Mitgefühl möglichst authentisch aus.
  • Wenn Sie beobachten, dass die trauerbezogenen Verhaltensänderungen einer Schülerin oder eines Schülers längerfristig bestehen bleiben und in destruktive Verhaltensweisen übergehen (z.B. übermäßiger Suchtmittelkonsum), sollten Sie die Betroffene bzw. den Betroffenen auf professionelle Unterstützungsmöglichkeiten hinweisen und den Kontakt dazu anbahnen.

3. Hilfe und Unterstützung

Bundesweite Telefon-, Chat- und Mail-Beratung für Kinder und Jugendliche

Hilfe für betroffene Erwachsene

NOAHÖffnet sich in einem neuen Fenster ist eine Koordinierungsstelle für Menschen in Deutschland, die im Ausland von schweren Unglücksfällen betroffen sind. Die Hotline NOAH ist 24 Stunden besetzt und ist in Deutschland telefonisch und kostenlos erreichbar unter 0800 1888 433.

Das Auswärtige AmtÖffnet sich in einem neuen Fenster hat Antworten auf die häufigsten Fragen zu den Erdbeben in der Türkei und Syrien zusammengestellt.

Bei Sorgen und Angst um vermisste Familienangehörige rät der DRK-Suchdienst, diese zunächst per E-Mail oder mobil zu erreichen oder sich über ein KontaktformularÖffnet sich in einem neuen Fenster an die türkischen Behörden zu richten. Gelingt es nicht, unterstützt der DRK-SuchdienstÖffnet sich in einem neuen Fenster.