Der wachsende Anteil von Kindern und Jugendlichen mit Migrationsgeschichte und Deutsch als Zweitsprache stellt das hessische Schulsystem vor besondere Herausforderungen. Mit seinem schulischen Gesamtsprachförderkonzept und Maßnahmen wie etwa Vorlaufkursen zum Erlernen der deutschen Sprache vor der Einschulung verfügt Hessen über Strukturen und Angebote, die anderen Bundesländern als Vorbild dienen. Um sich über ihre Erfahrungen in der Deutschförderung auszutauschen, hat Kultusminister Prof. Dr. R. Alexander Lorz gestern die Geschwister-Scholl-Schule Niedergirmes in Wetzlar sowie die Grundschule Niederbiel in Solms besucht. Dabei sagte Lorz: „Städtische Schulen mit einem hohen Anteil an Kindern ohne deutsche Muttersprache wie die Geschwister-Scholl-Schule Niedergirmes und die Grundschule Niederbiel schultern ein Übermaß an Anstrengungen, um allen Kindern ausreichende Kenntnisse in der deutschen Sprache zu vermitteln und die Bildungsgerechtigkeit zu wahren. Wir arbeiten kontinuierlich daran, die Deutschförderung an unseren Schulen weiter voranzubringen. Um alle Kompetenzen zu bündeln und wissenschaftliche Erkenntnisse noch besser in den Schulen umsetzen zu können, haben wir in Hessen zuletzt Deutschlands erstes Kompetenzzentrum Bildungssprache Deutsch eröffnet.“
An beiden Grundschulen gibt es einen besonders hohen Anteil an Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund, die Vorlaufkurse besucht oder andere Maßnahmen zur Deutschförderung wahrgenommen haben.
Hintergrund
Mehr als 17.000 Kinder haben in Hessen einen Vorlaufkurs zur Deutschförderung für die bevorstehende Einschulung Anfang September besucht. Das sind so viele wie noch nie. Die spezielle Unterstützung richtet sich verpflichtend an Kinder mit Sprachdefiziten in Deutsch, die damit über ein Jahr hinweg intensiv auf den Unterricht in der Grundschule vorbereitet werden. Jedes Kind soll von Anfang an in der Schule mitreden und mitlernen können, wofür das Hessische Kultusministerium mit der Erfindung der Vorlaufkurse den Grundstein gesetzt hat. Während andere Länder noch über die Einführung von Sprachkursen vor der Einschulung diskutieren, zeigen die in allen Bildungsetappen abgestimmten Sprachförderprogramme seit Jahren Wirkung. Die vielfältigen Maßnahmen zur Deutschförderung vor der Einschulung und in der Grundschule tragen erheblich zur Bildungsgerechtigkeit bei.
Eingeführt wurden die Vorlaufkurse in Hessen im Jahr 2002. Im Jahr 2020 wurden sie dann im Schulgesetz verpflichtend – wie nur noch in einem weiteren Land (Hamburg). Damit erfüllt Hessen die Forderung von Bildungsfachleuten und Lehrerverbänden für eine frühe Förderung der Sprache Deutsch, dies insbesondere vor dem Hintergrund der stark gestiegenen Zahl von Kindern und Jugendlichen mit einer Migrationsgeschichte. So haben derzeit im hessenweiten Durchschnitt 43 Prozent der Grundschulkinder – einer der höchsten Werte in Deutschland – einen Migrationshintergrund. Im städtischen Umfeld liegt der Wert noch einmal darüber. Auch fast 1.000 Kinder von geflüchteten Familien aus der Ukraine werden aktuell mit dieser Förderung auf die Schule vorbereitet.
Weitere Maßnahmen zur Deutschförderung:
- Jeweils eine zusätzliche Deutschstunde in der dritten und vierten Klasse,
- verbindliche Einführung einer verbundenen Handschrift,
- Rechtschreibkorrektur von Anfang an,
- kein Schreiben nach Gehör,
- feste Vorgaben zum Lesen von Büchern im Unterricht.