„Lieber Traum, ich möchte dir sehr danken, dass du mir jede Nacht ein wunderschönes Geschenk machst“, schreibt Marlene aus Wiesbaden. „Aber so sind nun einmal die Träume. Sie sind oft unrealistisch und unwirklich und doch schön“, resümiert Johanna aus Fulda. „Also hört nie auf zu träumen, egal, was andere sagen“, appelliert Lilith aus Taunusstein. Diese Zeilen stammen aus rund 9.500 handschriftlich verfassten Briefen, die bei der Stiftung Handschrift anlässlich des 5. Hessischen Schülerschreibwettbewerbs eingingen. Schülerinnen und Schüler der 6. und 7. Klassen sämtlicher Schulformen wurden aufgefordert, frei über ihre Träume zu schreiben. Als Anregung wurde beispielsweise nach dem größten Traum, den Traumorten oder dem Traumtag gefragt. Das facettenreiche Thema bot den teilnehmenden Kindern und Jugendlichen besonders viele Möglichkeiten, kreativ zu werden. So individuell wie die eigene Handschrift sind daher auch die Inhalte der einzelnen Beiträge. Die Bandbreite reicht von fantasievoll und poetisch über reflektiert und gesellschaftskritisch bis nahezu philosophisch anmutend. Auch gereimte Texte lagen zur Bewertung vor. Eine Fachjury wählte 100 Briefe aus, die nun in einem hochwertigen Buch gesammelt erschienen sind. Deren Verfasserinnen und Verfasser wurden am 5. Mai – dem von der Stiftung ausgerufenen „Tag der Handschrift“ – im Museum Wiesbaden geehrt. Darunter auch Schülerinnen und Schüler aus Förderschulen sowie einer ukrainischen Intensivklasse. Zahlreiche stolze Eltern, Freunde und Verwandte nahmen ebenfalls am feierlichen Festakt teil.
Wettbewerb fördert Kreativität
In seinem Grußwort betonte der Hessische Kultusminister Prof. Dr. R. Alexander Lorz die Wichtigkeit des Schreibens mit der Hand: „Gleich dem Wesen unserer Träume ist die Handschrift als eine unserer grundlegendsten Kulturtechniken universal verständlich und ein individuelles Markenzeichen. Das Hessische Kultusministerium setzt in seinen Schulen – gerade im Hinblick auf das digitale Zeitalter – von Anfang an auf das Schreiben mit der Hand und das Entwickeln einer verbundenen, lesbaren Handschrift.“ Christian Boehringer, Vorsitzender des Stiftungsrates, erläuterte die Intention der 2009 gegründeten Stiftung Handschrift: „Nicht nur dieser Wettbewerb zeigt: Wer mit der Hand schreiben kann, ist kreativer. Studien zeigen auch, dass Schülerinnen und Schüler, die mit der Hand mitschreiben können, Lerninhalte besser verstehen und behalten. Grund genug, dass wir uns als Stiftung für den Erhalt der Handschrift einsetzen.“
Defiziten entgegenwirken
Erklärtes Ziel ist es, gemeinsam mit Schulen auch außerhalb des Unterrichts Anlässe zum handschriftlichen Schreiben zu schaffen. Dieses Engagement sei wichtiger denn je, betonte Raoul Kroehl, Geschäftsführer der Stiftung Handschrift, im Interview mit der Moderatorin der Preisverleihung Rose-Lore Scholz, Stadträtin a. D. und ehemalige Schuldezernentin der Stadt Wiesbaden. Schließlich zeugen aktuelle Untersuchungen von wachsenden Beeinträchtigungen in puncto handschriftlicher Fähigkeiten bei Schülerinnen und Schülern. „Schreiben ist ‚Handwerk‘, das durch Training erlernt undweiterentwickelt werden kann. Mit zahlreichen Initiativen wirkt die Stiftung daher diesen Defiziten entgegen“, so Kroehl. Die zunehmende Digitalisierung und in diesem Zusammenhang ganz aktuell der Umgang mit KI-basierter Software wertete er als eine weitere große Herausforderung im zukünftigen Schulalltag. Sein Fazit zum diesjährigen Wettbewerbsthema: „Wir Erwachsene sollten von den Kindern lernen und Träumen als das Andenken von Möglichkeiten sowie Zukunftsperspektiven sehen und nicht als reine Fantastereien.“
Buntes Programm im Museum
Während des Festakts zeigten Videos von vier ausgewählten Schulen exemplarisch, wie die Lehrkräfte den Schreibwettbewerb mit den Materialien der Stiftung in ihren Unterricht integrierten. Sie berichteten über den pädagogischen Ansatz des Projekts und zeigten sich begeistert angesichts der Kreativität im Klassenraum. Natürlich kamen die Kinder und Jugendlichen ebenfalls zu Wort: Video-Interviews vermittelten dem Publikum einen Eindruck, wer ‚hinter den Briefen steht‘ und deren Haltung zum Thema Schreiben mit der Hand. Schließlich wurden auch drei Briefe von den jungen Autorinnen und Autoren selbst auf der Bühne vorgelesen. Die Inhalte der vorgelesenen Briefe zeigten auf, wie vielfältig über das Thema Träume geschrieben werden kann. In einem Impuls via Video klärte Prof. Dr. Michael Schredl, wissenschaftlicher Leiter des Schlaflabors am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim und führender deutscher Traumforscher darüber auf, was nachts in unseren Gehirnen passiert und gab wertvolle Hinweise, wie man mit Albträumen positiv umgehen kann. Unter dem Aspekt „Traumberuf“ richtete schließlich noch die deutsche Fußball-Nationalspielerin und Mitglied des Profi-Kaders der Eintracht Frankfurt, Sophia Kleinherne, ermunternde Worte an die Schülerinnen und Schüler: man solle immer an seine Träume glauben und niemals aufgeben. Mitreissende musikalische Beiträge der Gruppen „Frauenzimmer“ und „Männer-WG“ von der Diltheyschule Wiesbaden rundeten den Festakt ab.
Hintergrund
Die Stiftung Handschrift verfolgt das Ziel, gemeinsam mit den Schulen für die Schülerinnen und Schüler Schreibanlässe außerhalb des Unterrichts zu schaffen, die das Schreiben mit der Hand und die damit verbundenen Vorteile in den Fokus rücken. Sie unterstützt Schülerinnen und Schüler dabei, eine flüssige und lesbare Handschrift zu entwickeln, die ihnen helfen kann, mehr Spaß am Schreiben mit der Hand zu haben. Gleichzeitig soll ihnen bewusst werden, wie wichtig die Beherrschung der eigenen Handschrift auch für einen guten Schulabschluss ist. Aktuelle Umfragen belegen, dass Kinder und Jugendliche selbst sich eine bessere Handschrift wünschen. Sie brauchen dabei jedoch Unterstützung. Zu diesem Zweck hat die Stiftung Handschrift neben dem jährlichen Schreibwettbewerb das Projekt der Schreibpatinnen und - paten initiiert: Bereits in der Grundschule werden Schülerinnen und Schüler unter der Anleitung von Tutorinnen und Tutoren dabei unterstützt, das Schreiben mit der Hand zu üben und zu verbessern. Die Stiftung Handschrift arbeitet eng mit dem hessischen Kultusministerium zusammen.